Der Hafenarbeiter der Hitler gedemütigt hat

Es sind die Geschichten für die wir den Fußball lieben. Vor 86 Jahren gewann Norwegen sensationell die olympische Bronzemedaille im Fußball und demütigte damit Adolf Hitler. Dies ist die Geschichte von einem vergessenen Held.

Am einem frühen Oktobermorgen 1977 lasen die Menschen in Norwegens zweitgrößter Stadt Bergen folgende Todesanzeige in der Lokalzeitung: 

«Unser lieber Odd Frantzen wurde uns plötzlich genommen, Bergen 2. Oktober 1977»

Ein 64-jähriger Mann mit einer Beinprothese wurde in einem Gemeindehaus in einer Gegend, die als „Blood Town“ verschrien war, zu Tode getreten. Der Täter war ein 25jähriger Mann der auf der Suche nach Alkohol war. 

Eine Meldung die wahrscheinlich wegen der Tat aufgeschreckt hat, weniger wegen des Toten. Denn nur die aller wenigsten Leser*innen dürften gewusst haben, um wen es sich da handelt.  

Es ist Odd Frantzen, eigentlich Bergen´s berühmtester Fußballsohn. 

Berlin, 7. August 1936: Im Poststadion steht das Spiel Deutschland gegen Norwegen an. 55.000 Zuschauer sind gekommen, auf der Tribüne die mit mit einer Fahne der olympischen Ringe verziert ist, sitzen die Größen des NS-Staats. Adolf Hitler, Hermann Göring, Joseph Goebbels. Es soll das erste Fußballspiel Hitler´s werden. Nach dem 9:0 Auftaktsieg soll er von seinen Beratern überredet wurden sein, sich die nächste Machtdemonstration anzuschauen. 

Auf dem Rasen steht Odd Frantzen. 23 Jahre alt, Hafenarbeiter, der bis dahin noch nie ein komplettes Länderspiel bestritten hat. Es kam wie es sich wahrscheinlich jeder außerhalb des Reiches gewünscht hatte, aber wahrscheinlich nicht dran geglaubt hat. Der krasse Aussenseiter Norwegen gewinnt sensationell mit 2:0 gegen Deutschland. Wahrscheinlich gehört dieses Spiel zu den größten Momenten olympischer Spiele. Adolf Hitler und seine Schergen sollen das Stadion wutentbrannt vor dem Abpfiff verlassen haben. Der Debütant aus Bergen wurde hingegen am nächsten Tag in der Zeitung „Aftenposten“ gefeiert. 

„Zerstörte die deutsche Abwehr. Frantzen hatte den Mut zu Ballkünsten und Finten, die normalerweise nur Superstars vorbehalten sind, vor allem aber er hat sich nie von der imposanten Umgebung einschüchtern lassen.“ 

Wie imposant die Kulisse für Odd Frantzen gewesen sein muss, verrät ein Bild des Original Platzes vom SK Hardy in Bergen 1936

Zusammen mit Reidar Kvammen bildete Frantzen die norwegische rechte Seite. Die einzigen zwei Spieler im Team, die nicht aus Ostnorwegen stammten. Jahre später 1962 schwärmte Kvammen immer noch von Frantzen Debüt. Über den Mensch Frantzen sagte Reidar Kvammen das er nicht der schnellste war, höchstens mit dem Mundwerk. Und wie sich das für Legenden gehört, wurde Frantzen natürlich bei dem Turnier vom Nationalmannschafts-Manager beim Bier trinken erwischt. Trotz Alk und Tabakverbote hatte es für Frantzen keinerlei Auswirkungen. Im Gegenteil trotz der Eskapaden stand der in der Mannschaft sehr beliebte Frantzen, auch im Halbfinale gegen Italien auf dem Platz. Nach 90 Minuten stand es immer noch 1:1, doch in der Verlängerung machte Italien den Finaleinzug klar. Norwegen musste ins Spiel um Platz drei. Dort wartete Polen vor 95.000 Zuschauern im Olympiastadion. Mit einem 3:2 schrieb sich das norwegische Team in die Geschichtsbücher ein. 

Frantzen der "Arbeiterfußballer"

In Bergen dominierte schon immer der SK Brann, international als Brann Bergen bekannt, dass Fußballgeschehen. Die Upper Class Boys in ihren roten Trikots sind der erfolgreichste Club der Stadt. Sie standen 4 mal im Pokalfinale und haben den Pokal zweimal nach Bergen geholt. Trotzdem war der Verein keiner für die ganze Stadt. Im Hafengebiet, da wo die Arbeiter wohnten, gründeten ein paar Jungs 1915 den SK Hardy. Zwei Spieler stellte der kleine Arbeiterclub für die Olympiade 1936, neben Odd Frantzen Teamkollege Magdalon Monsen. Frantzen blieb dem Club immer treu. Der Verein selbst existiert heute nicht mehr. 

Mit 25 Jahren war Odd Frantzen auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Doch als Deutschland zwei Jahre später Norwegen besetzte, bedeutete dies das Ende seiner vielversprechenden internationalen Karriere. 

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Privat hingegen heiratete er seine Jugendliebe Betty und der Erfolg machte ihn populär. Die Society Bergens schmückte sich mit dem Star. Das Paar wurde zu Yachtausflügen und Partys eingeladen. Sein Job blieb aber im Hafen. Als Hilfsarbeiter entlud er Lastwagen oder kam als Bauarbeiter unter. Menschen die die Nachkriegszeit am Hafen in Bergen miterlebt haben, erzählen von vielen traurigen Schicksalen mit viel Alkohol. Am Lohntag warteten die Frauen wohl schon am Tor um dafür zu sorgen das genug Geld für Miete und das Nötigste übrig blieb. Auch Odd Frantzen soll schon da dem Alkohol sehr zugesagt haben.  

Die Tragödie des Odd Frantzen

Es ist der 10.Mai 1961. Das Wetter ist schön und Odd fährt mit einem Kollegen zusammen zur Marmeladenfabrik. Auf der Ladefläche Zuckersäcke. Als sie an der Fabrik ankommen läuft alles wie immer. Doch nach der Frühstückspause steht ein Stapler so dumm neben dem LKW, das Frantzen den LKW umstellen möchte. Doch er verliert beim rückwärts fahren die Kontrolle und kracht durch einen Zaun vier Meter in die Tiefe. (siehe Foto). Im Krankenhaus wird Odd Frantzen erfahren das er ein Bein verlieren wird. Eine Welt bricht zusammen, der Alkohol tröstet, hilft aber nicht. Die Ehe mit seiner Jugendliebe scheitert. Es scheint als verliert Odd Frantzen auch den letzten Halt im Leben. Der Abwärtsstrudel geht immer weiter. Laut Amt ist Odd Frantzen die nächsten 4 Jahre ohne festen Wohnsitz. 

64 Jahre ist er alt, in jener Nacht als er Opfer eines Gewaltverbrechens wird. Odd Frantzen ist der erfolgreichste Nationalspieler Bergens. Seine Enkelin bezeichnet ihn in seinen letzten Jahren als einen ruhigen und freundlichen Menschen. Ein Mensch der sich sich in den Alkohol geflüchtet hat. Heute würde Odd Frantzen 109 Jahre alt werden.