Vor einiger Zeit habe ich auf Twitter den Hashtag #histofußball ins Leben gerufen und weil manch Persönlichkeit gleich 14 Tweets beanspruchte, habe ich nun den Staub vom Blog gepustet und werde in Zukunft das ein oder andere hierher auslagern.
Fußball ist politisch. Ein Beispiel dafür ist die Nachkriegs-Meisterschaft des VfR Mannheim.
Heute am 23.12. vor 101 Jahren wurde Rudolf de la Vigne in Böhmisch Leipa geboren. “De la Vigne” klingt jetzt nicht unbedingt böhmisch, was daran liegen könnte das die Vorfahren von Rudolf de la Vigne wohl Hugenotten gewesen sein sollen, die irgendwann ins Sudetenland kamen. De la Vigne begann zunächst beim Deutschen Sportverein Böhmisch Leipa mit dem Fußball spielen. Als Fallschirmjäger kam er schon im Mai 1940 beim Westfeldzug in Gefangenschaft. Über Großbritannien wurde er nach Kanada in ein Internierungslager, das Camp 133, verbracht.
Dort lernte er in den folgenden Jahren mit Henninger, Jöckel, Langlotz, Müller und Senck mehrere Mannheimer Fußballer kennen, die gemeinsam in Nordafrika in Kriegsgefangenschaft geraten waren und mit denen er im Lager häufig zusammen kickte. Nach seiner Freilassung war eine Rückkehr nach Böhmen unmöglich, also ging er nach Mannheim und schloss sich dort dem VfR an. Für den Club selbst waren die “Kanadier” ein Glücksfall. Der VfR war zwar fester Bestandteil der Oberliga Süd, mehr als gegen den Abstieg ging es aber schon länger nicht mehr. Die “Kanadier” hoben den Club auf ein ganz neues Niveau, besonders Rudolf de la Vigne stach als technisch versierter Leistungsträger heraus, der als stärkster Spieler des VfR im Endspiel galt. Aufgrund seines schwer auszusprechenden Namen wurde er einfach “Bella” gerufen.
Kurz zum Endspiel: Es ging als “Die Hitzeschlacht von Stuttgart” in die Geschichte ein. Aus Mannheim fuhren über 25 Sonderzüge, die Autobahn soll komplett am Limit gewesen sein. Am Ende sahen 92.000 Zuschauer das Spiel im Neckarstadion. Der VfR galt als Aussenseiter gegen den BVB und bot ihm bis in die Verlängerung Paroli. Am Spielfeldrand sollen sich die Spieler Wassereimer über den Kopf geschüttet haben. In der 108. Minute gelang dann der 3:2 Siegtreffer des VfR. Auf Bildern die den Empfang der Spieler in Mannheim zeigt, sieht man eine komplett zerstörte Innenstadt mit Massen an Menschen. In der Spielzeit 1949/50 qualifizierte sich der VfR Mannheim wiederum für die Endrunde um die deutsche Meisterschaft, und daran hatte de la Vigne nicht nur wegen seiner 16 Treffer erneut großen Anteil, obwohl er vom süddeutschen Verband für vier Wochen gesperrt worden war – wegen „Wildspielens“: als Vertragsspieler durfte er zwar offiziell maximal 320 D-Mark brutto verdienen, aber als ihm der Mannheimer Ex-Frankreich-Profi Oskar Rohr anbot, für einen namhaften Betrag als Gastkicker bei Racing Strasbourg anzutreten, machte er sich auf die damals noch beschwerliche Reise – von der amerikanischen Besatzungszone durch die französische ins Saarland und von dort aus nach Frankreich. Anfang November 1949 spielte er in einer Freundschaftsbegegnung im Stade de la Meinau als „tschechischer Gastspieler Adamowski“ für die Elsässer gegen Lokomotive Zagreb. Die Geschichte flog auf, außer mit der Spielsperre bezahlte er den Ausflug auch noch mit 20 Mark Geldstrafe. Sein Verein vermittelte ihm daraufhin einen kleinen Kredit, mit dem er einen Tabakladen mit Lotto- und Wäschereiannahme in bester Mannheimer Innenstadtlage, erwerben und in dem man ihn die nächsten dreieinhalb Jahrzehnte auch persönlich antreffen konnte, wenn er nicht gerade in Sachen Fußball unterwegs war. Diese zusätzliche wirtschaftliche Absicherung ließ in der Folge bei de la Vigne keine Abwanderungspläne mehr aufkommen.
Im Sommer 1959, mit fast 39 Jahren, beendete de la Vigne seine Karriere. Er hat in den gut 12 Jahren beim VfR Mannheim insgesamt 317 Oberligaspiele absolviert und dabei 121 Tore erzielt. Damit ist er der Rekord-Oberligaspieler des VfR Mannheim. Im Januar 2004 starb er nach langer Krankheit, 83-jährig, als letzter des „Meistersturms“ von 1949.